Friday, September 28, 2012

Sexy Terminology:Stupid Cupid!


Um zu zeigen, was eigentlich den Semiotischen Blick ausmacht, um den es in diesem Blog geht, werde ich am Beispiel der Kain-und-Abel-Story auch die theologischen, anthropologischen, psychologischen und genderspezifischen Erkenntnisinteressen - natürlich stark verkürzt - darstellen. Damit tritt die Differenz zum Semiotischen Blick hervor. Es wird aber auch klar, dass die oben erwähnten Methoden teilweise auch auf semiotische Konzepte zurückgreifen. Im letzten Post habe ich anhand von Indices wie der „Schusswunde“ in Abels Schulterblatt gezeigt, dass die historische (hier besonders: forensische) Methode auch auf das richtige Lesen von Zeichen angewiesen ist. Nun ein kurzer Blick auf mögliche theologische Interpretationen.

Eine theologische (= Gottes Motive, Willen, Taten und die dahinter stehende „Logik“ auslegende) Interpretation des biblischen Lehrstücks von Kain, Abel und den Opfern wird über „Gott und die Welt“ (in dieser Reihenfolge) nachdenken und dabei z.B. der Frage nachgehen, was wir aus dem Mordfall über Gottes Verhältnis zu uns lernen können. (Nebenbei: zur Schwierigkeit, "logos" nicht nur in der Kombination "theo-logie" zu übersetzen, siehe Goethes FAUST).
Wir könnten den Brudermord als Zeichen für die prinzipielle Freiheit des menschlichen Willens interpretieren, die Tatsache, dass Gott den Mord zugelassen hat, als Zeichen seines Wunsches, uns auf die Probe zu stellen. Damit sind wir bei einem sehr offenen und fast allumfassenden Zeichenbegriff.
Zeichen im engeren Sinn sind die beiden Brandopfer, die von den Brüdern zweifellos auch als Zeichen gedacht waren. Kain hat die Früchte des Feldes nicht aus Übermut verbrannt, zum Zweck der Aschedüngung oder um Überproduktion zu vernichten, damit die Marktpreise stabil bleiben. Dasselbe gilt für Abel, auch er hat Fleisch und Fett für einen höheren kommunikativen Zweck verbannt: als Botschaft an den Herrn. Damit erfüllen beide Opfer eine Grundbedingung der Zeichentheorie, indem sie „für etwas anderes“ stehen: Herrgott, wir glauben an Dich, wir achten und respektieren Dich. Die Opfer sind der Beginn eines Dialoges mit dem Jenseits. Kain und Abel sind die Sender, Gott ist der Empfänger.

In der theologischen Tradition wird man sich fragen, wieso der Herrgott diese beiden Zeichen (= die Opfer) unterschiedlich aufnimmt. Theologen sinnieren wie oben erwähnt seit jeher über Gottes Pläne, Absichten, Motive und die Zeichen, die er setzt (oder auch nicht): „Wo war Gott, als Kain Abel erschlug?“ "Wo war Gott in Auschwitz?"„Warum hat er kein Zeichen gesetzt?“

Man könnte soweit gehen, zu fragen, warum Gott, nachdem er doch mit Adam und Eva schlechte Erfahrungen gemacht hat, es zulässt, dass die beiden sich vermehren, noch dazu wo ihm doch klar sein muss, dass die Erbsünde, wie es im Deutschen abweichend vom Lateinischen „peccatum originale“ (=ursprüngliche, erste Sünde) treffend heißt, durch Sex übertragen und vererbt wird. Obwohl diese Frage mehr als naiv ist, da sie Ursache (Menschsein) und Wirkung (Religion) auf den Kopf stellt, bereitet sie der christlichen Theologie einige Schwierigkeiten, wie aus der spitzfindig-dialektischen Antwort ersichtlich ist, die der Katechismus gibt, wenn er darauf verweist, dass bei der Weihe der Osterkerze folgender Vers gesungen wird: „O glückliche Schuld, die einen solchen großen Erlöser zu haben verdient hat!“ (Katechismus, S.136). 

Zusätzlich findet man im Katechismus den heutzutage wohl nur noch Eingeweihten geläufigen Begriff der Konkupiszenz: „Infolge der Erbsünde ist die Natur in ihren Kräften geschwächt, der Unwissenheit, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt. Diese Neigung heißt Konkupiszenz.“(Katechismus. S.137). 
Es scheint fast so, als wäre hier der Rückgriff auf eine aus heutiger Sicht hermetische und doch - wie ich gleich zeigen werde - eigentlich sexy Terminologie ein Zeichen für den Argumentationsnotstand, in den man gerät, wenn man – wie oben beschrieben – Ursache und Wirkung verwechselt bzw. "logos" mit Logik und Vernunft gleichsetzt. In der  Kon-kupi-szenz ist Cupido versteckt, der Gott des Begehrens, der Lust und der Liebe: der kleine (B)Engel mit dem Bogen. Amor, Eros, Cupido:
It's the concupiscence, stupid! (Connie Franicis hatte mit Stupid Cupid einen Hit in den späten 50er Jahren).

Begierde und Begehren führen uns von der theologischen (gr. theos, lat. deus = Gott) zu einer anthropologischen (gr. anthropos = Mensch) und somit psychologischen (psyche = Geist) Perspektive auf Kain und Abel, die sich nicht für die Motive Gottes sondern die Motive und Emotionen der Menschen interessiert, - und für die Zeichen, mit denen sie diese Emotionen ausdrücken. 

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