„Früher begann der Tag mit einer
Schusswunde“, behauptete Wolf
Wondratschek vor fast einem halben Jahrhundert. Beginnen wir nach
diesem Motto mit einer historischen (und
in diesem Fall meistens wohl auch: kreationistischen) Betrachtungsweise des
Falles Kain vs. Abel, indem wir wie Heinrich Schliemann auf der Suche nach
Troja davon ausgehen, dass Kain und Abel (Kreationisten ergänzen voll Überzeugung, Kritiker ironisch: und der
Herrgott!) tatsächlich gelebt haben.
In der Folge werden wir wissen wollen, wann und wo der Mord stattgefunden hat und ob es dafür noch Indizien(beweise)
gibt. Wie werden versuchen, den Tatort zu lokalisieren, um dort z.B. den eingeschlagenen
Schädel von Abel oder das Einschussloch in Abels Schulterblatt zu finden. (Ich
werde gleich noch auf die Schusswunde zu sprechen kommen.)
Was dem aufgeklärten Geist verrückt erscheinen
mag, ist für fundamentalistische Gläubige normal: angeblich ist die
Kirchengeschichte reich an mehr oder weniger geschmackvollen „historischen
Reliquien“; der Bogen reicht von Fläschchen, die die Muttermilch Mariens oder die
Atemluft Jesu enthalten, bis zu – man glaubt es kaum - Federn von der Taube des
Heiligen Geistes, wie der Theologe Horst Herrmann schreibt.
Ich werde auf den semiotischen Charakter einer
archäologischen und forensischen Spurensuche im Zusammenhang mit realen oder
vermeintlichen Index-Zeichen noch ausführlich eingehen, um die
Differenzen zum sowie die Gemeinsamkeiten mit dem semiotischen Blick zu analysieren.
Hier nur eine kurze Vorschau: Der
Meistersemiotiker Charles Sanders Peirce, der eine Einteilung der Zeichen in
Index-Ikon-Symbol-Klassen vorschlug, beschreibt die Index-Zeichen am Beispiel
eines Schusses. Laut Peirce ist ein Einschussloch ein Indexzeichen, weil es aufgrund einer
realen Verbindung (im Original: „real connection“ an anderer Stelle auch “real
relation“) auf einen tatsächlich abgefeuerten Schuss hinweist. Peirce betont
auch, dass das Einschussloch auch dann „ein Zeichen“ für den Schuss, der es
verursacht hat, ist und bleibt, wenn sich niemand findet, der das Einschussloch
wahrnimmt oder der klug genug ist, vom Loch im Knochen auf den Schuss zu schließen.
Die alten Texte lassen uns im Unklaren darüber, wie Kain seinen Bruder ermordet hat. In der Vulgata lesen wir: interfecit. Das bedeutet „töten“, „umbringen“, „vernichten“. Ob Abel erwürgt oder erschlagen wurde, ob mit der Faust oder dem Faustkeil, ist unklar und damit ein Fall für die forensische Anthropologin Dr. „Bones“ Brennan, der wir wie allen MeistersemiotikerInnen und Archetypen des Indizien-Lesens gerne zuschauen.
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