Der Mensch
ist ein animal symbolicum und kann - im Gegensatz zu anderen Tieren - Zeichen
und Symbole verwenden, um seine Wünsche und Bedürfnisse zeichenhaft auszuleben, anstatt sie – „mit Gewalt“ in die Tat umzusetzen.
Es war, wie
Freud sagt, ein „kultureller Fortschritt“, als sich "die Tat zum Wort
mäßigte". Wer Mordgelüste gegenüber seiner Umwelt hat, kann Romane
schreiben oder Filme drehen, in denen ein Serienkiller alle Nervensägen
umbringt.
Ein animal
symbolicum kann sich am signifiant als Ersatz für das Konzept (signifié) und
das Reale vergreifen. Unter diesem semiotischen Gesichtspunkt wird es
verständlich, dass sich wütende Horden versammeln, um bunt gestreifte
Stofftücher mit Füßen zu treten, in den Dreck zu werfen, zu bespucken und
johlend zu verbrennen. Sie schlagen den semiotischen Sack und meinen den
wirklichen Esel: der konkrete signifiant (die Flagge) wird beschädigt und
misshandelt, das abstrakte signifié (das Land) soll damit getroffen werden. Der
symbolischen Beschädigung folgt meist die mehr oder weniger reale
(zeichenhafte) Empörung des betroffenen Landes.
Die
österreichische Fahne ist semiotisch besonders interessant. Das Ende der
sogenannten Besatzungszeit wurde in Österreich mit einem eigenen „Tag der
Fahne“ (später: Nationalfeiertag) gefeiert, an dem laut Anordnung durch das Unterrichtsministerium
die Nationalflagge als Zeichen für die neue Souveränität Österreichs feierlich
gehisst werden sollte.
Die alte
Legende, mit der die konventionelle ROT-WEISS-ROTE- Farbkombination „motiviert“
werden soll (um im Jargon der Semiotik zu bleiben), ist barbarisch.
Es heißt, dass sich die ROT-WEISS-ROTE- Fahne vom weißen Waffenrock des
österreichischen Herzogs und Kreuzfahrers Leopold V. (1157-1194) ableitet, der
den Beinamen „der Tugendhafte“ trägt. Er war so vorbildlich „tugendhaft“ im
Abschlachten der Ungläubigen bei der Belagerung von Akkon, dass sein weißes
Gewand über und über mit Blut getränkt war. Als er seinen breiten Gürtel
abnahm, sah man den weißen Streifen.
Angesichts dieser
blutigen Herkunft ist es überraschend, dass noch niemand daran gedacht hat, für
das angeblich tu-felix-austria-nube- Österreich andere Landesfarben
vorzuschlagen.
Wahrscheinlich
hat das Gewand des Herzogs so ähnlich ausgeschaut, wie die Messgewänder von Herrmann
Nitsch nach seinen Aktionen.
Obwohl die Aktionen
von Nitsch bezogen auf menschliche Opfer vor allem zeichenhaft sind und der
Blutrausch von Leopold V., zumindest der Legende nach, real war, beschwerten
sich ausgerechnet die nationalen Kräfte über Nitsch, die die Tradition des christlichen Abendlands
mit der Blutflagge Österreich hochhalten wollen. Vor den Tugendwächtern sind eben
nicht alle Blutspritzer gleich.
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