Im Jänner 1967 veröffentlichte die
amerikanische Folk-Rock Band Buffalo Springfield, zu der die späteren Superstars
Neil Young und Stephen Stills gehörten, ein Lied, das Stephen Stills
geschrieben hatte. Musikalisch ist der Song ein Ohrwurm, der Text beschreibt
eine Straßenszene, die ein halbes Jahr später in Berlin Wirklichkeit
werden sollte:
There's something happening here
What it is ain't exactly clear
There's a man with a gun over there
Telling me I got to beware.
Dann setzt der Refrain ein: It’s time we stop,
children...
So kommen wir nochmals zur
Ampel, zu ROT, zum STOP und zur Straße. Schon sind wir mitten im Straßenkampf,
der mit der alten Straßenverkehrsordnung verhindert und Horst Mahles neuer
Straßenverkehrsordnung (dazu der nächste Post) herbeigeführt werden sollte. Gehen
wir zuerst Stephen Stills Lyrics der Reihe nach durch.
There's something happening here: gegen den
Staatsbesuch von Schah Reza Pahlewi in der BRD findet in Berlin im Jahre 1967 eine
Demonstration statt. Der Schah will sich – ausgerechnet – die Zauberflöte
ansehen. Das klingt nach ganz billiger Politkrimi pulp fiction, ist aber die
Wahrheit: der Tyrann will sich im Theater mit Mozarts märchenhafter
Freiheitsoper amüsieren, geschützt von der Polizei eines demokratischen Landes,
während draußen vor der Tür (Vgl. Borchert 1947) die Opposition und die
geflüchteten/vertriebenen Perser demonstrieren.
What it is ain't exactly clear: bis heute ist nicht ganz geklärt, wie die
Sache außer Kontrolle geriet. Prügeln die
Agenten des Schahs zuerst auf die Demonstranten ein, wenden die Exilperser zuerst Gewalt an? Wer hat den ersten Stein geworfen?
There’s a man with a gun over there: die Polizei zerstreut die Demonstration, wie
es euphemistisch heißt. Die DemonstrantInnen werden in enge Gassen gedrängt und
bis in Hinterhöfe verfolgt. Benno Ohnesorg (was für ein schöner sprechender Name
Ohne-Sorgen) ist einer der Demonstranten; es heißt, es war seine allererste politische
Demonstration; es sollte auch seine letzte sein. Mehr zur Etymologie von polis
und demonstrare auch in einem der folgenden Posts.
Telling me I got to beware: Angeblich hat die Polizei Benno Ohnesorg
gewarnt. Angeblich
hat Ohnesorg nicht auf die Warnungen der Polizei gehört. Angeblich ist das der
Grund, warum der Polizist Karl-Heinz Kurras ( man with a gun over there) den
Benno Ohnesorg in Notwehr erschießen musste. All diese Angaben sind umstritten. Was ursprünglich als Unfall und Notwehr
ausgegeben wurde, gilt heute als geplanter Mordanschlag. Ein krummes Ding, das
am passenden Ort passierte: Krumme Straße 66, die Adresse passt so genau, dass man auch sie für eine falsche Angabe oder eine pulp fiction Erfindung halten könnte.
Der Schütze Kurras ist selbst
eine äußerst zwielichtige Figur; in zwei Prozessen wurde er freigesprochen,
immer wieder tauchen neue Fakten/Lügen auf. Die genauen Umstände der Tat sind
noch immer unklar, das genaue Datum ist jedoch berühmt/berüchtigt geworden:
2. Juni 1967.
So kommen wir von Benno Ohnesorg zur grundlegenden
Definition eines Zeichens, die direkt vom Meister C.S.Peirce selbst stammt: Ein
Zeichen ist etwas, das, in irgendeiner Hinsicht, für jemanden für etwas anderes
steht. Eine militante Stadtguerilla-Gruppe setzt Ohnesorg ein Denkmal und ein
Zeichen, indem sie seinen Todestag als Kampfnamen annimmt: Bewegung 2. Juni.
„Dieses Datum wird immer darauf hinweisen, daß
sie(die Polizei) zuerst geschossen haben! Das ist bis zum heutigen Tag so“,
sagen Ralf Reinders und Ronald Fritzsch in ihrem Buch Die Bewegung 2.Juni (ID-Archiv, 1995, S. 7.).
Wie gesagt, die
Fakten sind umstritten. Hinter der Frage „Wer hat den ersten Stein geworfen?“
blitzt jedoch zweifellos das (nicht nur re-bellische) Rachedenken auf: Zurückschlagen,
Gleiches mit Gleichem vergelten, Auge umd Auge, Zahn um Zahn. Davon ausgehend
führt ein direkter Weg zum alten System der Spiegelsstrafen: dem Dieb wird die
Hand abgehackt, dem Lästerer die Zunge herausgerissen, der Körper wird so zum
Zeichenträger, die Strafe semiotisch lesbar. Auch dazu in einem späteren Post
mehr.
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