Kain reagiert „verschnupft“ auf den beißenden
Rauch seines Brandopfers, der sich am Boden schlängelt anstatt geradewegs zum
Himmel auszusteigen. Ein Fall für Freud? – vielleicht. Ein Fall für die
Semiotik sicher, denn Kain setzt ein körperliches Zeichen, wie wir im Alten Testament lesen: „Da ergrimmet
Kain seer vnd sein geberde verstellet sich“, schreibt Luther; in neueren
Versionen liest man: Kain “ließ den Kopf hängen“ (Schlachter 1951), in der Vulgata
steht: „concidit vultus eius“, wörtlich "sein Gesicht fiel zusammen", salopp gesagt: „seine Gesichtszüge entgleisten.“
Ob man diese spontane Reaktion als
verständlich oder wahnwitzig, als normal oder verrückt einstuft, hängt von den jeweiligen
Rahmenbedingungen ab, auf die man sich als Interpret bezieht. Die zeichenhafte
Reaktion von Kains Körper und Gesicht kann jedoch unabhängig von der
moralischen, strafrechtlichen, kriminalpsychologischen bzw. psychiatrischen Bewertung
des Brudermordes untersucht werden. Kains "körpersprachliche" Reaktion auf den Rauch ist aus semiotischer
Sicht interessant, weil sich daran die Frage nach willkürlichen und
unwillkürlichen bzw. bewussten und unbewussten Körperzeichen diskutieren lässt,
nach Emotion, Intention und Kontrolle. Wieder stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Innen und Außen.
"Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus", heißt es bei Freud.
Dieses Nicht-Herr-Sein äußert sich darin, dass wir die Be-herr-schung über
unseren Körper verlieren bzw. nie ganz und gar haben.
Wir drücken unsere Freude, unseren Ärger und vor allem auch Angst körperlich aus, ob wir wollen oder nicht, - eigentlich müsste
man schreiben: ES drückt sich unsere Angst etc. aus.
Gott hat Kain längst bzw.
von Anfang an durchschaut, trotzdem nimmt er Kains zeichenhaft-zornigen Gesichts- und
Körperausdruck zum Anlass, um selbst ein Zeichen zu setzen. Kain kann sein
Inneres nicht verbergen, der Herr liest ihm -– wie Dr. Cal Lightman in Lie to Me - den möglicherweise
unbewussten Unwillen (auch) vom Gesicht ab und stellt ihn darauf hin expressis verbis zur Rede: „Warum bist du so wütend, und warum
senkt sich dein Angesicht?“ (1 Mose 4, Schlachter
2000).
Auf die semiotische Frage, in welcher Sprache,
der Herr zu Kain sprach bzw. welche Sprache Kain hörte, als er Stimmen in
seinem Kopf hörte, werde ich im nächsten Post eingehen.
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