In einem
der letzten Posts habe ich über die Sonnenuhr als Index-Zeichen geschrieben, heute
beschäftigt mich die Uhr mit der Wespentaille: die Sanduhr, das Stundenglas, die Eieruhr. Das Stundenglas ist eine Uhr, die in einem Korsett
eingeschnürt ist und uns den Atem raubt. Sie ist aus semiotischer Sicht ikonisch und symbolisch
bemerkenswert.
Kehren wir
kurz zur indexikalischen Sonnenuhr zurück: die Sonne treibt den von ihr
geschaffenen Finger-Schatten unaufhaltsam weiter und gibt uns damit einen
Fingerzeig(er): der Begriff index leitet sich vom lateinischen
Zeigefinger ab. Sonnenuhren vermitteln ein Gefühl der Wiederkehr, denn die
Sonne kehrt - so scheint es - jede Nacht an ihren Ausgangspunkt zurück, um „wiedergeboren“ zu
werden (renascens), wie es in den uralten
Sprüchen heißt, die König Salomo zugeschrieben werden (Qoheleth, Ekklesiastes).
Einer der
bekanntesten dieser Sprüche lautet Nihil
sub sole novum = Es gibt nichts Neues unter der Sonne; ein
offener Hinweis auf die Wiederkehr des Immergleichen. Es entspricht der
fatalistisch-depressiven Grundhaltung von Salomons Sprüchen, dass dieses
Immergleiche, wie Luther übersetzt, „eitel“ ist; wir würden heute sagen
„bedeutungslos“, „vergänglich“, „nur ein schöner Schein", „eine Täuschung", "nichts als Wahn.“
Vanitas steht an dieser Stelle in der Vulgata, die unsere eigene
Vergänglichkeit direkt anspricht. „Alles hat seine Zeit“, heißt es dort: tempus nascendi et tempus moriendi – a time
to be born, a time to die, wie Pete Seeger Jahrhunderte später singen wird.
Eines der
bekanntesten Symbole der Vanitas
ist das Stundenglas. Während Sonnenuhren und Uhren mit einem
Ziffernblatt die Zeit als Zeitkreis oder unendliche Schleife ikonisch abbilden, zeigt
das Stundenglas deutlich, dass unsere Zeit abläuft und begrenzt ist. Oberhalb
der Wespentaille ist die Zukunft, unterhalb die Vergangenheit, dazwischen verrinnt die Zeit.
Sanduhren
haben eine objektive Eigenschaft, die wir als subjektive
Zeitwahrnehmung schmerzlich erfahren: je länger der Sand durchrieselt, je mehr Zeit vergeht,
desto größer wird – durch mechanische Abnutzung - der Durchgang. Im Lauf der Zeit kann immer mehr
Sand durchfließen, die Zeit verfliegt immer schneller. Genau so erfahren wir die Zeit, wenn wir - mechanisch abgenutzt - älter werden. Je mehr Gegenwart wir erlebt haben, desto schneller
vergeht sie.
Wenn alle Körner durch die kleine Öffnung gerieselt sind, dann ist
es aus mit uns: „jede Stunde schmerzt uns, die letzte tötet“ steht auf manchen
alten Uhren.
Dass die
Sanduhren ikonisch der Korsett-Figur einer Frau entsprechen, lädt das Symbol
noch stärker auf, vor allem in vielen romanischen und slawischen Sprachen, in den der Tod weiblich ist: wenn unsere Zeit abgelaufen ist kommt die Sensen-frau, la mort. Und dann spielt es keine Rolle mehr, ob unsere Rolex echt oder gefälscht ist, man kann sie ohne hin "net mitnemma" wie der bayerische Arzt und Kabarettist Georg Ringsgwandl zu Bob Dylans Musik singt:
Hey, du konnst Ministerpräsident
sei von am Staat,
Der im Rüstungsgschäft prozentual
die Finger hot.
Du konnst Kardinal sei, schee
feierlich und fett,
Oder frommer Pfarrer, mit Zölibat und
Doppelbett.
Doch des konnst du net mitnehma,
Naa, des konnst du net mitnehma.
Frog amoi an Teife, frog an liabn
Gott,
Und der sogt – „net mitnehma!“
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